Wir haben am 31. März 2016 die Vernehmlassungsantwort zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (URG) der Digitalen Allmend und der Digitalen Gesellschaft eingereicht. Wir haben uns während der letzten 3 Monate, auch durch unsere Mitarbeit in der Task-Force URG der Gedächtnisinstitutionen der Schweiz, intensiv mit der gesamten Vorlage auseinander gesetzt. Der Revisionsvorschlag beinhaltet viele Elemente, darunter auch durchaus sinnvolle, wie eine bessere Regelung zur Nutzung von verwaisten Werken, oder die Einführung einer ‚erweiterten Kollektivlizenz‘.
Daneben gibt es aber auch einiges, was wir ablehnen müssen, da diese Vorschläge, wenn sie umgesetzt würden, die Anzahl verfügbarer Werke und/oder deren Nutzungsmöglichkeiten massiv einschränken würde.
So soll, nach dem Willen des Bundesrates, ein neues Leistungsschutzrecht für Pressefotografien eingeräumt werden oder es sollen die Bibliotheken zu einer unnötigen Urheberrechtsabgabe gezwungen werden. Und wie zu erwarten war, sind auch völlig untaugliche und äusserst schädliche Massnahmen zur Bekämpfung der so genannten ‚Internet-Pirtaterie‘ vorgesehen, die man allesamt nur Verwerfen kann.
Natürlich haben wir auch die Gelegenheit genutzt, weitergehende Vorschläge, wie eine Reduktion der Schutzdauer oder Massnahmen gegen Copyfraud, einzureichen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen MitstreiterInnen der Digitalen Allmend, der Digitalen Gesellschaft, der Task Force URG und allen anderen zugewandten Organisationen und Personen für die vielen konstruktiven und nützlichen Ideen, Kommentare und Vorlagen bedanken. Ganz besonders auch bei Martin Steiger für seine Rolle als Sparring-Partner während des ganzen Prozesses, sowie die intensive Mitarbeit beim Finish der Antwort und bei Danielle Kaufmann dafür, dass sie die Task Force URG ins Leben gerufen hat.
Hier zum Einstieg die Einleitung unserer Antwort, den Rest lest ihr im PDF:
Wir sehen ohne weiteres Handlungsbedarf zu einer Revision und dabei auch Modernisierung des URG. Allerdings folgt die vorliegende Vernehmlassungsvorlage weitgehend den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (AGUR12), obwohl diese Arbeitsgruppe äusserst einseitig zusammengesetzt war. In der Folge wurden gerade auch die Anliegen der Zivilgesellschaft – insbesondere auch im Zusammenhang mit Menschenrechten – nicht berücksichtigt, sondern es resultierte ein einseitiger Fokus auf die Bekämpfung der so genannten Internet-«Piraterie» – auch vor dem Hintergrund von offensichtlichem amerikanischem Druck über den Runden Tisch («Roundtable») zum Urheberrecht, der hinter verschlossenen Türen beim Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stattfand und stattfindet. Unseres Erachtens entspricht dieser einseitige Fokus auch nicht dem ursprünglichen Auftrag an die AGUR12.
Wir legen grossen Wert darauf, dass das Urheberrecht so ausgestaltet ist, dass ein Ausgleich zwischen den Interessen von Urheberinnen und Rechteinhabern einerseits und den Interessen der Gesellschaft andererseits hergestellt wird. Die ultimativen Forderungen von Urhebern und Rechteinhabern nach einem absolut geltenden «geistigen» Eigentumsrecht, das ohne Rücksicht auf gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Entwicklungen mit offensichtlich unverhältnismässigen Massnahmen und unter Inkaufnahme von massiven gesellschaftspolitischen Kollateralschäden durchgesetzt werden soll, entspricht in keiner Art und Weise einem solchen Interessenausgleich.
Wir weisen dabei insbesondere darauf hin, dass allein schon das Konzept eines Urhebers als alleiniger Erschaffer eines Werkes in Frage gestellt werden muss. Auch die utilitaristische Behauptung, wonach ein möglichst restriktives Urheberrecht zu einer höheren Anzahl von Werken führt als eine Gesellschaft mit einem liberalen Urheberrecht oder in extremis ganz ohne Urheberrecht, ist längst durch viele Beispiele widerlegt. Das Urheberrecht hat denn auch keinen naturrechtlichen Ursprung, sondern entsprang und entspringt mehrheitlich dem erfolgreichen Lobbying von wenigen Partikularinteressen wie insbesondere auch der amerikanischen Unterhaltungsindustrie.
Wir wissen gleichzeitig, dass die schweizerische Realpolitik vorläufig keine grundsätzlichen Entscheidungen und Fragen in Bezug auf das Urheberrecht erlaubt. Wir versuchen deshalb, mit unserer vorliegenden Vernehmlassungsantwort den Prozess der Gesetzesrevision konstruktiv zu begleiten.
Wir begrüssen in diesem Rahmen, dass der Bundesrat neue Schrankenregelungen vorschlägt, die eine einfachere Verwendung von Urheberrechtlich geschützten Werken ermöglichen sollen. Wir lehnen hingegen jene Massnahmen ab, die in erster Linie den grossen Rechteinhabern sowie den Verwertern dienen. Dank dem Internet ist die aktive Partizipation längst nicht mehr auf einige wenige Rechteinhaber, Urheber und Verwerter beschränkt und viele neue Geschäftsmodelle – innovative und zukunftsträchtige Geschäftsmodelle! – im digitalen Raum entstehen erst. Es wäre deshalb gefährlich, die vorliegende Vernehmlassungsvorlage ohne erhebliche Anpassungen als revidiertes URG in Kraft treten zu lassen und damit unter anderem überholte Geschäftsmodelle, gerade auch jenes der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, zu schützen.
Wir lehnen in diesem Zusammehang insbesondere geplanten Massnahmen gegen die so genannte Internet-«Piraterie» ab. Die geplanten Netzsperren stellen ein völlig ungeeignetes und damit unverhältnismässiges Mittel dar, um Kulturschaffenden zu höheren Einkommen zu verhelfen, und dass die geplanten Netzsperren gleichzeitig aber massiven Schaden an der schweizerischen Internet-Infrastruktur sowie gegenüber den Menschenrechten verursachen.
Wir lehnen auch die geplanten Massnahmen zur Überwachung von Peer-to-Peer (P2P)-Netzwerken unter Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses dediziert und vollumfänglich ab. Wir sind überzeugt, dass P2P-Netzwerke mittlerweile ein vernachlässigbares Problem für Rechteinhaber darstellen, denn sobald benutzerfreundliche und offizielle Angebote vorhanden sind, werden diese von den zahlungskräftigen und durchaus zahlungsbereiten Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz genutzt. Konsumentinnen und Konsumenten weichen nur dort auf nicht autorisierte Alternativen aus – gefährliche Alternativen, denn es drohen Gefahren wie Schadsoftware und dubiose Werbung –, wo es an benutzerfreundlichen und offiziellen Angeboten fehlt.
Wir weisen im Übrigen darauf hin, dass letztlich alle geplanten Massnahmen gegen die so genannte Internet-«Piraterie» voraussichtlich zu einer unerwünschten (weiteren) Konzentration im schweizerischen Markt für Internet-Provider führen – unter anderem auch deshalb lehnen wir derartige Massnahmen vollumfänglich ab. Dabei ist zu betonen, dass es in der Schweiz und nach schweizerischem Recht bereits heute nicht möglich ist, ein Geschäftsmodell auf Grundlage von Urheberrechtsverletzungen zu betreiben, weshalb es auch kaum schwerwiegende Fälle im Sinn der vorliegenden Vernehmlassungsvorlage gibt, mit denen sich die geplanten Massnahmen rechtfertigen lassen.
–> Weiterlesen im PDF unserer Vernehmlassungsantwort zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (URG)
Wie geht es nun weiter? Das IGE wird sich jetzt mit den vielen eingegangenen Antworten – man hört, es seien über 400 gewesen! – auseinandersetzten und danach wird irgendwann eine überabeitete Vorlage kommen. Ob das noch dieses Jahr sein wird, wissen wir nicht. Diese wird entweder noch einmal in eine Vernehmlassungsrunde oder direkt ins Parlament geschickt. Wir werden auf jeden Fall, auch im Rahmen der Mitarbeit in der Task Force URG, dran bleiben und uns weiterhin für ein moderates und modernes Urheberrecht einsetzen, welches den neuen Möglichkeiten der digitalen und vernetzten Welt gerecht wird, und sich nicht nur an den absoluten Eigentumsansprüchen einiger Urheber orientiert, sondern auch an den Bedürfnissen der Gesellschaft.
(Dieser Text erschien in etwas geänderter Form erstmals am 1.4.2016 auf der Website der Digitalen Allmend. Ich bin Präsident der Digitalen Allmend, Mitglied der Digitalen Gesellschaft sowie Mitglied des Kernteams der Task Force URG).
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