Die SRG neu denken

Vor bald 80 Jahren wurde die SRG gegründet und damit der Grundstein für die Idee des Service Public im elektronischen Medienwesen gelegt. Seither hat sich, was die technischen Verbreitungs-möglichkeiten betrifft sehr viel geändert, an der Grundidee der SRG allerdings nicht.

Jedesmal wenn die SRG und ihre politischen Protagonisten laut darüber nachdenken die Defizite mit höheren Gebühren wegzuregulieren, wird die Ruf nach Abbau des einen oder anderen Gefässes laut. So könnten wir doch auf den zweiten TV Kanal im Tessin verzichten, oder wer braucht schon die Musikwelle und Virus? Ganz mutige getrauen sich sogar DRS2 in Frage zu stellen.

Bei allen diesen Rufen nach Reduktion des Angebotes soll immer dort der Rotstift angesetzt werden, wo vermeintlich niemand zuhört bzw. zusieht. Also die Sendungen und Gefässe mit einem kleinen Marktanteil.

Das ist auf den ersten Blick logisch, aus meiner Sicht aber gerade verkehrt.

Genau die Sendungen und Sender die erfolgreich sind, sollten abgeschaltet, bzw. den Privaten überlassen werden. Wir brauchen keine Koch- und Quizshows und keine James Bond Filme die über die Service Public Infrastruktur flimmern. Alle diese Dinge würden und werden von privaten Medienanbietern gemacht, ganz einfach aus dem Grund, weil sie einem genügend grossen Bedürfnis entsprechen, und damit durch Werbung finanziert werden können.

Radiosendungen wie Reflexe, Kontext oder Atlas, TV-Gefässe wie die Sternstunde, Musiksender am Rande des Mainstreams wie Virus, DRS2 oder Musikwelle, Nachrichten und aufwändig recherchierte Hintergrundbeiträge hingegen, wären in einer rein privaten organisierten Medienwelt nicht verfügbar.

Natürlich kann man auch den Standpunkt vertreten, dass es das alles auch nicht braucht, wenn es niemand hören bzw. sehen will. Doch ich möchte zu Bedenken geben, dass gerade an den Rändern und ausserhalb des Mainstreams die kreativen Impulse entstehen, die uns weiterbringen. Die Idee des Service Public in den Medien ist durchaus sinnig, wenn er denn wirklich als Ergänzung zu dem was der Markt zu leisten vermag gesehen wird. Es ist ja nicht so, dass niemand Sternstunde schaut, es sind einfach viel weniger als „SF bi de Lüt“. Viele der Sendungen mit weniger Aufmerksamkeit sind trotzdem für uns als Gesellschaft wichtig. Sie liefern Gedankenanstösse und Einblicke, sie inspirieren und überraschen und auch wenn viele sich nicht direkt damit konfrontieren, diffundieren die wichtigsten Inputs langsam in den Mainstream und bewegen diesen. Es muss gar nicht jeder über den Tellerrand blicken, aber es sollte jedem möglich sein, es zu tun.

Die SRG sollte im Prinzip einzig darauf verpflichtet werden, das zu produzieren bzw. ermöglichen, was nicht oder noch nicht im Mainstream angekommen ist. Alles was erfolgreich ist, im Bezug auf die Zuschauer- bzw. Zuhörerquoten soll an die privaten Übergeben werden.

Wenn wir schon Gebührengelder ausgeben wollen, dann doch für Dinge, die wir sonst nicht bekommen würden. Sendungen wie Glanz & Gloria, Miss & Mister Schweiz Wahlen, Deal or no Deal usw. brauchen wir nicht gebührenfinanziert zu produzieren, diese Sendungen würden von privaten Sendern wohl jederzeit ausgestrahlt werden.

Damit will ich auf keinen Fall die Qualiät dieser oder anderer Unterhaltungsgefässe kritisieren, oder sonstwie elitär schnöden. Ich will niemandem diese Sendungen madig machen oder sie wegnehmen, es würde sie weiterhin geben, da bin ich mir sicher, denn sie sind ja erfolgreich.

Den Angeboten der SRG würde der Quotendruck vollständig genommen. Es gäbe einzig ein paar Aufträge zu konkretisieren, so müssten die SRG Sender weiterhin wieder auf hohem Niveau News und Hintergrund Sendungen produzieren. Sie müssten der politischen Debatte und der Kultur Raum bieten, sich zu entfalten und sie müssten Bildung vermitteln.

Beim Radio könnte das heissen: Die Düdelidü Musik auf DRS1 und DRS3 bräuchten wir nicht mehr. Die gibt es zu Genüge auf privaten Stationen und im Internet. Es gäbe einen Sender mit hauptsächlich gesprochenen Beiträgen, also einige der Sendungen aus DRS1, DRS2, und DRS3 sowie die News. Dann noch einen Sender für Musikliebhaber, da das Radio ja ein ausgesprochen gut geeignetes Medium für die Musikvermittlung ist, nicht wahr? Mit Pop, Jazz, Rock, Hip-Hop, Techno, Klassik, Country, Volksmusik usw. allerdings nie im jeweiligen Mainstream sondern immer am Rande und immer beim Neuen und mit viel Platz für das Lokale. Die tägliche Musikberieselung könnte man wie gesagt, wiederum den privaten Überlassen, oder aber durch mehrere unmoderierte digitale Musikkanäle nach Stilen und Epochen mit Einbettung der stündlichen oder zweitstündlichen News aus dem Newskanal, ersetzen.

Beim TV würde das bedeuten, dass in jeder Sprachregion die beiden Sender zu einem verschmolzen werden könnten, weil ja sehr viel Sendeplatz frei würde. Das TV sollte auch hier neben gut recherchierten Hintergrundbeiträgen, das Geld vor allem einsetzen um kleinen, freien Teams Filmproduktionen zu ermöglichen, seien das Dokumentar- oder Spielfilme. Es sollten Filme ausgestrahlt werden, die wir nicht von den privaten zu sehen bekommen, sowie der Kulturberichterstattung viel Raum bieten. Ja, genau, Arte aus der Schweiz.

Mit den jeweils frei gewordenen zweiten Sendern könnte man folgendes machen:

Tagsüber wird klassisches Bildungsfernsehen betrieben, zum Beispiel Vorlesungen aus den Schweizer Universitäten und Fachhochschulen ausgestrahlt, ähnlich den iTunesU oder YouTubeU Videos aus US-Unis, plus Schulfernsehen wie früher einfach moderner produziert. Daneben Sendungen, die Alltagswissen vermittelt, wie Medienkompetenz, Wirtschaftskompetenz, usw. 

Das Vorabend und das Abendprogramm gehört dem Publikum. Sendungen und Videos können von beliebigen Menschen produziert und über eine Videoplatform hochgeladen werden, die besten werden dann über den zweiten Kanal ausgestrahlt, für aufwändigere Produktionen können die Studios benützt werden. Und Nachts werden auf beiden Kanälen Sendungen aus den Archiven der SRG ausgestrahlt, die dann von den Fans, aufgezeichnet, digitalisiert und mit Tags versehen zum SRG Videoportal hochgeladen werden.

Alle Sendungen egal ob Radio oder TV werden auf allen möglichen digitalen Kanälen verbreitet und dem Publikum zu Weiterverarbeitung frei gegeben. Am besten unter einen CC Zero Lizenz.

Das wäre eine SRG nach meinem Geschmack, wohl halb so teuer und viel sinnvoller, oder?

 

Kommentare

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  1. ich sehe das genau auch in dieser richtung. leider wird das von heute auf morgen nicht zu machen sein.

    gegen die zuweilen unterirdische qualitt der infosendungen bei sf.tv sollte allerdings sofort etwas unternommen werden. hast du eine idee? 😉

  2. Sehr interessanter Artikel.

    Ich denke auch, dass wir lieber die Gebhren investieren fr Formate, welche nicht die hohen Quoten generieren, sondern informativ hochstehende Qualitt haben.

    Wie im Text erwhnt wird "Die SRG sollte im Prinzip einzig darauf verpflichtet werden, das zu produzieren bzw. ermglichen, was nicht oder noch nicht im Mainstream angekommen ist."

    Quotenfnger werden gengend im TV angeboten. Jedoch bin ich immer wieder froh eine gut recherchierte Doku von SF zu finden, als die Sendung Deal or no Deal zu schauen.

  3. Etwas vom Klgsten zum Thema SRG, das ich in letzter Zeit lesen durfte. Wichtig scheint mir auch, dass die SRG eine neutrale Berichterstattung sicherstellt, die dem politischen Diskurs und der Demokratie dient.

  4. Spielfilme nur noch auf privaten Kanlen mit immer lngeren Werbeunterbrchen? Dmliche Homevideos an alle Zwangsbroadcasten? Grssliche Vision.

    Meine (nicht so ferne) zukunftsvision:

    klassisches radio, fernsehen und distribution verschwinden. radios und fernseher hngt man ans internet. content wird via IP direkt ab den videoportalen konsumiert. billag und suisa segnen das zeitliche und werden durch den "service public fonds" ersetzt. dieser untersttzt SRG und private im produzieren von content.

    mein "Radio" spielt meine musik, gestreut mit den betrgen die fr mich interessant sind. mein "TV" empfiehlt mir sendungen nach meinem geschmack. jeglichen mir zugnglichen content kann ich irgendwann, irgendwo anschauen. auf irgendeinem gert, in irgendeinem land.