Wie die Message unter die Leute kommt – Am Beispiel „Feinstaub schädigt Kinderohren“

Das ist ausnahmsweise ein sehr langer Beitrag geworden 😉

Einleitung 

Um es gleich vorweg zu nehmen. Auch ich möchte, dass wir in einer Welt leben, in der möglichst wenig Leid geschieht und die grösstmögliche Zahl der Menschen nach ihrem Willen und ihrer Vorstellung glücklich leben können. Mit anderen Worten, auch ich finde es schlecht, wenn Kinder an Mittelohrenentzündung leiden. Warum ich diese Einleitung schreibe, wird weiter unten klar.

Wenn es jeweils darum geht, sich zu einem bestimmten Thema eine Meinung zu bilden, so sind wir in der heutigen vernetzen Medienwelt in einer aussergewöhnlich komfortablen Lage, uns einer Fülle von Quellen zu bedienen. Da wir uns aber meistens damit begnügen wollen, das bestätigt zu bekommen, was wir bereits glauben, und weil wir einfach nicht immer Lust haben, zu hinterfragen, warum wir einer bestimmten Meinung sind, setzen wir auf Autoritäten.

Autoritäten und Experten 

Diese Autoritäten sind einerseits die sogenannten seriösen Medien, zum Beispiel die NZZ oder die Süddeutsche Zeitung und andereseits die Experten und Fachorganisationen, die in den Medien zur Sprache kommen. Die Fachorganisationen nennen sich meistens Institute und erhalten dadurch einen universitären Glanz, obwohl ein Insitut noch lange nichts mit einer Universität zu tun haben muss. And diesen Instituten werden nun von den Experten Studien produziert, wie Sand am Meer.

Natürlich werden diese Studien nicht in der Tages- oder Wochenpresse abgedruck, dass würde ja niemand lesen. Es werden Artikel darüber geschrieben, und dort diese Studien, die vorher in der Fachpresse abgedruckt (oder online publiziert) wurden, zitiert.

Allerdings ist oft nicht so, dass die Journalisten diese Fachzeitschriften lesen und dann etwas entdecken, worüber sie schreiben. Vielmehr werden von den Instituten die die Studie veröffentlicht haben, Pressemitteilungen verschickt, in der Hoffnung die Tages- oder Wochenpresse schreibe darüber. Das ist wichtig für die Institute, damit die Geldgeber sehen, dass sie gearbeitet haben 🙂

Diese Kombination der Autoritäten: Experte von einem Institut, zitiert in den sogenannten seriösen Medien, lässt uns glauben, dass das war wir lesen, wahr sein muss. 

Beispiel 

Schauen wir uns nun ein interessantes Beispiel an:

Sandro vom Politik Forum Ignoranz.ch hat einen Artikel bei der Süddeutschen Zeitung gelesen, der seine Aufmerksam erregt hat. Er hat einen Blog Eintrag geschrieben und auf den Artikel bei der SZ verwiesen, sowie eine besonders aussagekräftige Passage daraus zitiert. Titel des SZ Artikels "Feinstaub schädigt Kinderohren" Der Kommentar von Sandro im Blog Artikel zeigt sehr schön, dass er den Inhalt dieser Nachricht glauben schenken will.  Es geht nicht darum zu Hinterfragen ob das wahr sein könnte, sondern zu zeigen, dass es wahr sein muss, weil es in der SZ steht und schliesslich von Experten eine Studie erarbeitet wurde.

Wenn wir den SZ Artikel genauer studieren stellen wir sofort fest, dass dieser, um es gelinde auszudrücken, ziemlich dürftig ist. So wird einmal von einer Heimholz-Gesellschaft geschrieben und dann wird plötzlich ein Herr Heinrich von einer GSF zitiert. (Natürlich weiss jedes Kind, dass GSF für GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Heimholzgesellschaft steht, wobei GSF die Abkürzung für Gesellschaft für Strahlenforschung ist 🙂

Nach dem Zitat des Experten kommt ein Absatz der behauptet, dass eine moderate Zunahme der Feinstaubbelastung die Häufigkeit von Mittelohrentzündung um 24% steigert. Hier fehlen die Fakten und es werden auch keine geliefert, sondern gleich im nächsten Absatz wird einfach so getan als ob nun Fakten kämen, die diese doch wichtige Aussage unterstützen.

Es folgen aber Zahlen die nichts mit der Behauptung zu tun haben. Es wird einzig gesagt, dass bei 4000 untersuchten Kindern 35% an Mittelohrentzündung leideten. Mit der Absatzüberschrift: "Daten von mehr als 4000 Kindern" soll suggeriert werden, dass diese Erkenntnisse ja stimmen müssen, bei so vielen untersuchten Kindern. 

Auch in der SZ steht manchmal nur PR 

Und dann am Schluss des Artikels steht die Quelle: medical-tribune.de

Schauen wir uns das dort einmal an.

100% derselbe Artikel 1:1 von der SZ übernommen. (Bestimmt nicht illegal, die werden einen Vertrag haben und die Quelle war ja angegeben). Die einzigen Unterschiede liegen darin, dass bei der SZ der Artikel noch mit 2 dramatischen Bildern angereichtert und der Lead neu geschrieben wurde.

Hätte ignoranz.ch den Artikel auch so verlinkt und zitiert hätten sie ihn nur auf der medical-tribune.de gesehen, und nicht bei der Süddeutschen Zeitung? Ich wage es zu bezweifeln. Solche Meldungen auf irgendwelchen Portalen gibt es zu tausenden. Da holt man niemanden hinter dem Ofen hervor. Wenn es allerdings in der SZ steht, kann man schon was damit machen.

Wir können hier sehr schön sehen, dass das Mäntelchen eines renommierten Presserzeugnisses auf keinen Fall den Eindruck von mehr Seriösität erwecken sollte. (Bemerkung am Rande:  das sollten auch alle die professionellen Journalisten bedenken, die des öfteren von Qualitätskontrolle sprechen die bei den Bloggern im Gegensatz zu den Zeitungen fehlen soll.) 

Am besten immer das Original lesen 

Die Studie und die Pressemitteilung, die den Artikel ausgelöst hat, findet man übrigens nach ein bisschen Googeln auf der Website der besagten GFS. Wer sich die Mühe nimmt, die ganze Studie zu lesen (sind nur 5 Seiten) und nicht nur die Zusammenfassung, findet am Schluss die eigentlich wichtigsten Aussagen, neben der Beschreibung der Methoden.

Die Autoren der Studie zählen 4 "limitations" auf, die diese Studie aufweisst. Unter anderem, dass die persönlichen Schadstoffbelastungen der Kinder nur geschätzt waren und nicht gemessen usw. Sie kommen zum Schluss: "These findings indicate an association between exposure and traffic-related air pollution". "Indicate" ist meiner Meinung schon nicht dasselbe wie "nachgewiesen". Weiterhin fügen die Autoren an, dass es noch weitere Studien braucht um klare Antworten zu erhalten. Das sollte mindestens zum Denken anregen. Mehr nicht, aber auch nicht weniger.

Es geht mir nicht darum dafür zu plädieren, dass wir alles bis ins letzte Detail erforschen müssen, bevor wir Massnahmen ergreifen. Ein Hinweis auf ein mögliches Risiko kann durchaus die Grundlage sein um einen Entscheid zu fällen. Aber wir müssen uns dabei bewusst sein, dass der Entscheid falsch sein kann, wie immer übrigens.

Und wenn es um das Entscheiden geht, sollten wir uns möglichst breit informieren und hinterfragen und vor allem nicht zuviel Ehrfurcht vor Autoritäten haben, besonders wenn es Experten, Institute und Medien sind 🙂

 

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