Mit dem Satz "Vasalam Ala Man Ataba’al hoda" beendet der iranische Präsident Mahmud Ahmadinejad seinen Brief an George W. Bush, den Präsidenten der USA. In der, auf der offiziellen Website der iranischen Präsidentschaft publizierten, englischen Version, wird dieser Satz allerdings, aus welchen Gründen auch immer, nicht in die englische Sprache übersetzt. In der französischen Version, die auch auf der Website der iranischen Präsidentschaft zu finden ist steht hingegen: "Hommage à ceux qui suivent le droit Chemin". Auch in der spanischen Version liegt eine "offizielle" Übersetzung vor: "Homenaje Sera con quienes, Siguen el camino recto".
Matthias Fienborks Übersetzung "Friede dem, der den rechten Weg befolgt." in der NZZ am Sonntag vom 14. Mai 2006, scheint also verglichen mit der offiziellen französischen und spanischen Version, den Kern der gewünschten Aussage ziemlich gut zu treffen.
Der Satz wirft, neben vielen anderen, diese zwei wichtigen Fragen auf: "Welches ist der rechte Weg?" und "Was ist mit dem der diesen Weg nicht befolgt?".
Die zweite Frage ist relativ einfach zu beantworten. Wenn wir dem, der den rechten Weg befolgt, Frieden wünschen, dann wünschen wir dem, der den rechten Weg nicht befolgt, offenbar keinen Frieden. Das muss nicht gleich heissen, dass wir ihm alles Übel bis hin zum Gegenteil des Friedens, den Krieg wünschen, aber sicher wünschen wir ihm nichts Gutes.
An der ersten Frage aber, welches der richtige Weg ist, beissen wir uns wohl seit Ewigkeiten die Zähne aus. Es haben sich hier 2 Lager gebildet. Die Einen haben eine klare Antwort auf die Frage und wissen, was der rechte Weg ist. Sie sind sich da so sicher, dass sie darum auch anderen Menschen diesen Weg weisen wollen. Notfalls mit Verwünschungen, List und Trug, allzu oft leider auch mit Gewalt. Dummerweise sind sich in diesem Lager aber nicht alle einig. Es gibt auch bei diesen "Wissenden" oder "Eingeweihten" ganz viele "rechte Wege". Diese werden uns in Form von Religionen und Ideologien vermittelt. Weil aber die meisten dieser Gruppierungen für sich den absolut "rechten Weg" beanspruchen, gibt es natürlich immer wieder Ärger und Streitereien untereinander. Viele Kriege der Menschheit sind auf diese Zwiste zurückzuführen. Vereint sind die "Wissenden" bzw. "Gläubigen" jeweils nur, wenn es darum geht, sich gegen das andere Lager abzugrenzen.
Gemeint ist das Lager der Liberalen. Diese sind irgendwann zum Schluss gekommen, dass es nicht angeht, dass ein Mensch einem anderen einen Weg aufzwingt. Denn selbst wenn man der Meinung bleibt, der eigene Weg sei der "rechte", führt es zu nichts anderem, als zu Gewalt und Leid, darauf bestehen zu wollen, dass ein anderer Mensch es auch so zu sehen hat. Es gibt eben keine "rechten" oder "falschen", sondern nur "individuelle Wege". Solange niemand jemandem anderen einen Weg versperrt, oder ihn dazu zwingt einen bestimmten Weg zu nehmen, gibt es ja auch keine Probleme damit. Respekt vor der freien Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen nennen wir das. Was nichts anderes heisst, als dass das Individuum für sich selbst entscheiden darf und soll, welches der "rechte Weg" ist, und diese Entscheidung nicht von jemandem anderen aufgezwungen werden darf. Individuen können sich natürlich zu Gemeinschaften zusammenschliessen und sich gemeinsame Regeln geben, innerhalb derer die Wege der Einzelnen zu legen sind. Wichtig ist in diesem Fall einzig, dass der Einzelne sich frei entscheiden kann, ob er dieser Gemeinschaft angehören will oder nicht.
Aus liberaler Sicht könnte der Satz also bedeuten: "Friede dem, der seinen eigenen Weg geht, ohne dass er andere an deren gewähltem Weg zu hindern versucht." Ich befürchte allerdings, dass Ahmadinejad eigentlich meint: "Friede dem, der den göttlichen Weg befolgt, welcher durch mich ausgedrückt wird." und einiges deutet darauf hin, dass auch George W. Bush und viele andere Christen dieselbe Aussage für sich in Anspruch nehmen.
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat den Satz in der Ausgabe vom 14.5.2006 übrigens mit "Friede sei mit denen, die dem Weg Gottes folgen" übersetzt.
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