Nach dem intensiven Abstimmungskampf um die RTVG-Revision, der letzten Sonntag mit einem denkwürdig knappen Resultat zu seinem Ende kam, warten wir nun alle gespannt auf den Bericht zum Service Public der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK). Die Mitglieder dieser Kommission sind ganz bestimmt alles gute Fachleute und eben Expertinnen und Experten auf ihren Gebieten. Doch genau das ist das Problem. Es ist aufgrund ihrer Zusammensetzung nahezu unwahrscheinlich, dass diese Kommission „out-of-the-box“ denken kann.
Der Erkenntnistheoretiker Ludwik Fleck hat in seinem wichtigen Klassiker «Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache» die Begriffe ‚Denkkollektiv‘ und ‚Denkstil‘ in die Wissenschaftstheorie eingeführt. Denkkollektive zeichnen sich dadurch aus, dass sie Opfer einer gewissen Beharrungstendenz in ihrem Denkstil sind. Das bedeutet, dass alles was nicht in das bestehende Erkenntnissystem passt, wenn überhaupt, dann nur gegen grösste Widerstände Beachtung finden kann. In der Regel schafft es ein Denkkollektiv nicht, den eigenen Denkstil zu hinterfragen, sondern wird von Aussenstehenden dazu gezwungen. Schöne Beispiele dafür finden wir in der Wissenschaftsgeschichte zuhauf, aber auch in anderen Gesellschaftsbereichen können wir den Effekt sehr gut beobachten. Zum Beispiel in der Wirtschaft, wenn so genannt disruptive Innovationen althergebrachte Geschäftsmodelle in ihren Grundfesten erschüttern.
Wenn wir uns nun die Zusammensetzung der EMEK sowie die Rollen der Personen, die zu den öffentlichen Anhörungen zum Thema Service Public eingeladen wurden, betrachten, so stellen wir fest, dass alle mit grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb eines Denkkollektivs agieren, welches die Medienwelt nur im Rahmen von vor-digitalen Kategorien analysieren und betrachten kann. Zu diesem Denkstil gehören Konzepte wie ‚Sender-Empfänger‘, ‚Massenmedium‘, ‚Genie‘, ‚Produzent-Konsument‘, ‚Handel mit Medienkopien und Lizenzen‘, ‚Geistiges Eigentum‘, usw.
Eine Neubeurteilung des Medien-Service-Public unter Berücksichtigung der digitalen Transformation unserer Gesellschaft kann aber nur dann wirklich Nutzen stiften, wenn das gesellschaftliche Kommunikationssystem ausserhalb solcher, im digitalen Zeitalter teilweise obsoleten, teilweise stark revisionsbedürftigen Kategorien, gedacht wird. Es wäre darum nötig, entweder die Kommission oder dann wenigstens die Anhörungen, zusätzlich mit Personen zu besetzen, die nicht in diesen Denkmustern gefangen sind. Dazu gehören insbesondere Menschen, die keine tragenden Rollen im bestehenden Mediensystem inne haben und keine Experten innerhalb der aktuellen Medienordnung sind, sondern ausserhalb dieses Denkkollektivs stehen und dadurch neue und andere Ansätze in den Diskurs einbringen können.
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