Es ist in linksradikalen Kreisen offenbar Mode geworden, öffentliche Kundgebungen von politischen Gegnern zu verhindern zu versuchen, oder mindestens massiv zu stören. So musste die Stadt Bern kürzlich mit massivem Polizei-Einsatz die Teilnehmer einer SVP Versammlung schützen und gestern wurde mit der Parole „Keinen Meter Strasse dem christlichen Fundamentalismus!“ zur Störung einer bewilligten Demo von Abtreibungsgegnern aufgerufen. Ich bin selbst alles andere als ein religiöser Fundamentalist. Ich bin überhaupt nicht religiös und ich bin mit den Argumenten, die die Organisatoren des „Marsch für’s Läbe“ gegen das Recht auf Abreibung vorbringen nicht einverstanden. Auch bin ich weder SVP-Wähler, noch deren Sympathisant. Doch die Grundrechte, die in unserer Bundesverfassung verbrieft sind, sind auch dem politischen Gegner zuzugestehen. Es sind dies insbesondere:
Art. 15 Glaubens- und Gewissensfreiheit:
1) Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
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Art. 16 Meinungs- und Informationsfreiheit
1) Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet.
2) Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten.
3) Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten
Art. 22 Versammlungsfreiheit
1) Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
2) Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben.
Art. 23 Vereinigungsfreiheit
1) Die Vereinigungsfreiheit ist gewährleistet.
2) Jede Person hat das Recht, Vereinigungen zu bilden, Vereinigungen beizutreten oder anzugehören und sich an den Tätigkeiten von Vereinigungen zu beteiligen.
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Diese Grundrechte müssen in einer offenen Gesellschaft für alle gelten. Wir können das nicht oft genug wiederholen und wir müssen immer wieder darauf bestehen.
Ausnahmen gibt es; doch nur in engen Schranken:
Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten
1) Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2) Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3) Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4) Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar
Jetzt kann man natürlich immer auch bestehendes Recht in Frage stellen und dieses zu ändern versuchen, dafür sind unsere Volskrechte und andere demokratische Instrumente geschaffen worden. Aber an den Grundrechten zur Meinungsäusserungsfreiheit zu zweifeln ist nicht sinnvoll bzw. äusserst kurzsichtig.
Der Abschied von der Vorstellung, dass verschiedene Meinungen im Wettbewerb zueinander stehen können sollen, ist der Beginn der Diktatur. Es ist schlichtweg dumm zu glauben, dass ein System in welchem die eigene Meinung mit Gewalt durchgesetzt wird, ein gutes System sei, denn diese Gewalt wird spätestens dann zum eigenen Problem, wenn der Wind sich gedreht hat.
Wer eine aufgeklärte Gesellschaft aus mündigen Bürgern will, muss den Wettbewerb der Ideen zulassen. Wer nicht daran glaubt, dass das bessere Argument gewinnt, glaubt nicht an den mündigen Menschen. Wer nicht an den mündigen Menschen glaubt, soll das bitte auch so sagen. Sag allen Andersdenkenden ins Gesicht, dass Du der Meinung bist, sie seien dümmer als du und dass Du der Meinung bist, dass Du für sie denken willst, dass Du sie entmündigen willst. Dann wirst Du sehen, dass sie so dumm nicht sind.
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