TikTok nicht verstanden

In der Aargauer Zeitung vom 24. April 2024 berichtet der Korrespondent aus Berlin über eine Spionage-Geschichte im Zusammenhang mit einem Mitarbeiter eines AfD-Politikers. In dieser Geschichte gibt es viele Unbekannte. Interessant finde ich den Hinweis zu TikTok. Bereits im Titel wird der AfD-Politiker als TikTok König bezeichnet und im Beitrag wird dann alles, was TikTok böse macht, in einem einzigen Absatz zusammengebaut.

Möglicherweise hat Peking Krah seine Haltung nicht nur in Euro und Cent vergolten: Seine Reichweite auf dem Video-Netzwerk Tiktok, das sich in chinesischem Besitz befindet, ist mit 42000 Followern sagenhaft gross. Tiktok ermöglicht es Politikern, ein junges Publikum zu erreichen, das kaum noch traditionelle Medien konsumiert. Laut einer Umfrage würden 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen derzeit AfD wählen; sie ist damit in dieser (allerdings nur teilweise wahlberechtigten) Altersgruppe die beliebteste Partei.

Der Tiktok-König der AfD im Zwielicht: Ein Mitarbeiter von Maximilian Krah soll für China spioniert haben – Aargauer Zeitung – Aufgerufen am 24.4.2024 21.01 Uhr

Der Autor ist einer der vielen Medienschaffenden, die über TikTok schreiben, ohne offenbar zu verstehen, wie die App funktioniert. 42’000 Follower sind nicht so viele, dass man von sagenhafter Reichweite sprechen könnte. Zudem ist die Anzahl der Follower bei TikTok nicht die relevante Messgrösse für Reichweite, viel wichtiger sind die Views und Likes der einzelnen Videos. Dies liegt daran, dass der TikTok-Algorithmus die Videos nicht primär den Followern zeigt, sondern allen, die sich dafür interessieren könnten, ob Follower oder nicht. TikTok hat die Reichweite für Videos dieses Politikers übrigens eingeschränkt, was das Narrativ des bösen TikTok-Algorithmus etwas ins Wanken bringt.

Kommen wir noch kurz auf die erwähnte Studie zu sprechen. Diese wird von einem Beratungsunternehmen publiziert, welches damit Geld verdient, den Unternehmen zu helfen, die verschiedenen Generationen anzusprechen. Eine solche Geschichte, dass 22 % der Jugendlichen die AfD wählen würden, ist natürlich pures Marketing-Gold wert. Wir haben keine Ahnung, welche Fragen unter welchen Bedingungen gestellt wurden, um auf diese Aussage zu kommen. Zudem ist es wohl eher fragwürdig, eine Gruppe im Alter von 14 bis 29 Jahren zu politischen Fragen zusammenzufassen. Gerade in diesem Altersbereich sind die Unterschiede der persönlichen Lebenssituation enorm und ein grosser Teil der Befragten ist ja nicht einmal wahlberechtigt.

Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert