Pervertiertes Urheberrecht

Zum geplanten Lichtbildschutz in der URG-Revision

Das Urheberrecht vergibt staatlich garantierte Monopolrechte. Solche Monopolrechte müssen sehr gut begründet sein und eine der historischen Begründungen, die für diese Rechte ins Feld geworfen werden ist die Behauptung, dass es ohne solche Rechte für die Urheber nicht interessant genug wäre, Werke zu schaffen. Die Gesellschaft soll also diese Monopolrechte gewähren, weil sie im Gegenzug von einer Fülle von Werken profitieren kann, die sonst nicht existieren würden.

Niemand kann nun ernsthaft behaupten, dass es in der Schweiz zu wenig Fotografien oder zu wenig fotografierende Menschen gibt. Es herrscht auch kein Mangel an professionellen Fotografinnen und Fotografen.

Die gründe dafür sind auch ziemlich klar. Seit der Erfindung dieser wunderbaren und bereichernden Technik, sind die für die Herstellung einer Fotografie notwendigen Mittel um ein Vielfaches günstiger geworden und die notwendigen Fachkenntnisse, um hervorragende Fotografien herzustellen, sind relativ einfach zu erlernen.

Darum gibt es an jeder Ecke jemanden, der für gutes Geld eine gute Fotografie machen kann und dann gibt es noch unzählige andere, die das auch für kein Geld machen. Offenbar ist es auch nicht so, dass der Wettbewerb, dem die professionellen Fotografinnen und Fotografen ohne Zweifel ausgesetzt sind, den Nachwuchs und andere neue Marktteilnehmer davon abhält, an diesem Markt teilzunehmen. Der langen Rede kurzer Sinn: es gibt aus volkswirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Sicht kein Problem zu lösen.

Trotzdem will eine kleine Gruppe von professionellen Fotografen und Fotografinnen einen neues Recht, den sogenannten Lichtbildschutz im Urheberrecht verankern. Denn aus ihrer Warte gibt es ein Problem, welches sie gelöst haben wollen und zwar folgendes:

Wenn sie für einen bezahlten Auftrag eine Fotografie abliefern, kann es sein, dass der Auftraggeber oder eine dritte Partei diese Fotografie zusätzlich nutzt ohne dafür zu bezahlen. Dieses Problem haben aber viele Akteure der Wirtschaft. Ein Schreiner der eine Sitzbank herstellt, wird für diese Sitzbank einmal bezahlt und kann nicht jedes Mal die Hand aufhalten, wenn sich jemand da hinsetzt. Er könnte natürlich einen entsprechenden Lizenzvertrag aushandeln, statt die Bank zu verkaufen. Und wenn sich dann der Vertragspartner nicht an diese Abmachung hält, müsst der Schreiner auf zivilrechtlichem Weg gegen die Verstösse seines Lizenzvertrages vorgehen. Die Fotografen haben heute bereits dieselben Mittel zur Verfügung und können jederzeit die Nutzung ihrer Arbeiten an einen Lizenzvertrag knüpfen und damit verhindern, dass der Auftraggeber die gelieferte Fotografie, ohne dafür zu bezahlen, für einen anderen Zweck, als den lizenzierten, benutzt.

Bleibt das Problem, dass Dritte die Fotografie kommerziell nutzen könnten, ohne dafür zu bezahlen. Auch dies ist grundsätzlich ein wirtschaftsrechtliches und kein urheberrechtliches Problem. Es handelt sich dabei im Prinzip um einen Verstoss gegen Artikel 5 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) welcher die Übernahme und Verwertung eines marktreifen Arbeitsergebnisses eines Dritten als Unlauter deklariert. Wenn es nun so ist, wie einige Fotografen behaupten, dass sie durch Berufung auf diesen Artikel nicht erfolgreich waren mit entsprechenden Klagen, gibt es vielleicht tatsächlich gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Eine solche Gesetzesänderung wäre aber dann allerdings im UWG durch eine Präzisierung des Artikel 5 angebracht und sicher nicht im Urheberrecht.

Denn die derzeit diskutierten Lösungen im Urheberrecht führen zu derart hohem gesellschaftlichem und kulturellem Kollateralschaden, dass es schon eine grosse Portion Unverfrorenheit oder Unbekümmertheit und Eigennutz braucht, um diese als kleine Minderheit überhaupt ins Feld zu führen.

Wenn der Variante des Bundesrates gefolgt wird, wird das Urheberrecht definitiv ad absurdum geführt. Denn ein wesentliches Element des Urheberrechtes ist die sogenannte Schöpfungshöhe. Nicht jeder Furz ist grundsätzlich urheberrechtlich geschützt, sondern nur Werke, die sich durch eine bestimmte Individualität oder Originalität auszeichnen. Das ist auch gut so, denn sonst wäre jeder Satz, jede Äusserung, jeder Ton, einfach alles, was unsere Kommunikation ausmacht, als Werk zu betrachten und dadurch urheberrechtlich zu schützen. Das eine solche Welt nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand und genau darum ist das Konzept der Schöpfungshöhe im Urheberrecht verankert.

Diese Schöpfungshöhe will der Bundesrat (und bisher auch der Nationalrat) nun für die Kategorie der Fotografie ausser Kraft setzen. Wenn aber im Urheberrecht zuerst definiert wird, unter welcher wesentlichen Bedingung ein Werk überhaupt einen Schutz geniessen soll und diese Bedingung dann völlig willkürlich für eine bestimmte Werkgattung ausgeschlossen wird, kann man kaum von noch einem kohärenten und systematischen Gesetzestext reden. Kommt dazu, dass es dann keinen Grund mehr gibt, für die anderen Werkgattungen die Schöpfungshöhe noch aufrecht zu erhalten. Es wäre ein Dammbruch mit unabsehbaren folgen. Der Idee, dass eigentlich jede Äusserung urheberrechtlichen Schutz geniessen sollte, wäre Tür und Tor geöffnet und der ursprüngliche Gedanke des Urheberrechtes kann definitiv beerdigt werden.

Die zweite Variante, die im Rahmen der Beratung in der Rechtskommission im Nationalrat eingebracht wurde, wäre auch nicht besser. Sie würde für die Fotografien ein sogenanntes Leistungsschutzrecht vorsehen. Dadurch würden auch gleich noch alle Fotokopien, Röntgenbilder, einfach alle Abbildungen die mit technischen Mitteln hergestellt werden, geschützt.

In beiden Varianten werden auf einen Schlag komplett alle Fotos, jedes private Knipsbild (und damit ist nicht das neue Bundesratsfoto gemeint) und alle Fotos die in den letzten fünfzig Jahren entstanden sind urheberrechtlich geschützt. Wenn wir uns noch einmal erinnern, mit welcher Begründung das Urheberrecht existiert, wird es klar, dass die Idee des Lichtbildschutzes eine besonders heftige Kanone ist, mit welcher auf die Spatzen geschossen wird.

Von den 176 Ländern, die die Berner Übereinkunft zum Schutz der Urheber unterzeichnet haben, kennen übrigens nur 8 Länder einen solchen Lichtbildschutz. Es gibt kein einziges internationales Vertragswerk zum Urheberrecht, welches einen speziellen Schutz für Fotografien ohne Werkcharakter verlangt. Weder in der Berner Übereinkunft noch im TRIPS-Agreement ist davon die Rede, das Fotografien anders als andere Werke behandelt werden sollen. Auch die EU Richtlinie 2006/116 stellt in Artikel 6 klar, dass eine Fotografie dann geschützt ist, wenn sie das Ergebnis einer geistigen Schöpfung des Urhebers darstellt.

Wie gesagt, wir haben keinen Mangel an Fotografinnen und Fotografen und auch keinen Mangel an Fotos. Es gibt keinen Grund in diesem Zusammenhang das Urheberrecht zu pervertieren. Der geplante Lichtbildschutz ist unnötig, unnütz und gefährlich. Er sollte aus der Urheberrechtsrevisionsvorlage darum wieder gestrichen werden.

(Dies ist eine Archiv-Kopie ohne Paywall des gleichnamigen Beitrages auf medium.com)

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