Es ist Locarno-Zeit und das Schweizer Filmschaffen ist wieder einmal ein wenig öffentliches Thema. Wobei, nicht das eigentliche Schaffen, mal abgesehen von Brons Blocher-Experience, sondern vielmehr die Frage nach den Fördermitteln, wie jedes Jahr.
Heuer geht es um Zentralisierung vs. Diversität, aber auch darum, welche Bereiche im komplexen Prozess der Filmproduktion bzw. -vermittlung, wieviel Geld erhalten. So bekundet das BAK, dass man die Drehbuchschreibenden besser fördern will und die hiessigen Film-Festivals haben via Bundesamt für Statistik kommunizieren lassen, dass sie für das Filmschaffen eine wichtige Rolle einnehmen und darum Förderungwürdig bleiben.
Bei allem Verständnis dafür, dass das Geldproblem eine wichtiger Dauerbrenner der Branche ist, müssen wir trotzdem feststellen, dass die allerwichtigste Frage, die nämlich, wie man erreicht, dass der Schweizer Film auch gesehen wird, selten bis nie ein Thema ist.
Der schlimme Gedanke, der sich mir einschleicht ist, dass es für die Finanzierung der meisten Schweizer Filme völlig egal ist, ob dieser Film ausserhalb der eigenen Szene wahrgenommen bzw. gesehen wird oder nicht, und sich darum auch niemand wirklich darum kümmert.
Es macht den Anschein, dass kein wirkliches Interesse daran besteht, dass alle diese Filme, die nun über die Jahrzehnte weitgehend durch private und staatliche Fördermittel finanziert wurden, auch gesehen werden. (Neues Buch zum Thema Filmförderung in der Schweiz: Der Schweizer Film von Olivier Möschler)
Dem Mantra, dass es für die kulturelle Identität der Schweiz wichtig sei, ein eigenes Schweizer Filmschaffen aufrecht zu erhalten und wir dieses deswegen auch fördern sollen, steht die Realität entgegen, dass mehr oder weniger das komplette Schweizer Filmwerk in Datenbanken und Lagerhallen eingeschlossen und nicht online zugänglich ist. Es gibt wohl hundertausende von YouTube-Videos, die von mehr Zuschauern gesehen wurden, als die meisten Schweizer Filme.
Wer im Netz nach Schweizer Filmen sucht, stösst irgenwann man auf die Website von Swissfilms, deren Auftrag nach eigenen Angaben lautet:
Kernaufgaben der Stiftung sind Verbreitung, kulturelle Vermittlung und Vernetzung des Schweizer Filmschaffens.
Dort gibt zwar eine Datenbank mit mehr als 4000 Filmen. Doch online sehen oder kaufen kann man diese Filme nirgends.
Dann gibt es den Filmlink, die Schweizer Filmszene in Internet, doch auch hier dieselbe Tristesse, keine Schweizer Filme, die man Online sehen oder als Download kaufen könnte.
Versuchen wir es mit den älteren Produktionen. Diese werden von der Cinemathèque Suisse, dem Schweizer Filmarchiv aufbewahrt, und vom Verein MemoriAV erschlossen und konserviert. Nun, wir ahnen es: Keine Möglichkeit unsere kulturelle Filmgeschichte zu rezipieren. Dafür gibt es mit Memobase eine Datenbank mit Metadaten zu mehr 300’000 Audiovisuellen Dokumenten. Auch das ist bestimmt eine lobenswerte Einrichtung für Spezialisten, aber von Metadaten haben wir nicht gegessen. Wunderbar passend zur Situation ist der Hinweis, dass wir im Bundesarchiv selber VHS Kopien machen dürfen, wenn wir einen Beitrag der Schweizer Filmwochenschau sehen wollen. Im Jahre 2013 dürfen wir also Technologien aus den 1980er Jahren nützen. Ich frage mich, ob da jemand aus versehen all die Jahre im Archivkeller eingeschlossen war?
Zu guter letzt besuchen wir noch die Website Artfilm.ch, welche sich auf Autorenfilme aus der Schweiz und dem Ausland spezialisiert hat. Artfilm.ch bietet immerhin ein Streaming- und ein VOD-Miet-Angebot für ungefähr 150 Schweizer Filme an. Das ist schon mal ein lobenswerter Anfang. Aber im Netz auf eine Plattform und auf DRM-Technologien zu setzen, ist selten von grossem Erfolg gekrönt.
Wem wirklich etwas daran liegt, dass das Schweizer Filmschaffen auch gesehen wird, sorgt dafür, dass diese Filme im Netz verbreitung finden. Die neuen Kanäle heissen YouTube und Vimeo und nicht DVD und VHS. DRM ist völlig unnötig und verhindert blos, dass die Filme einfach verkauft und gekauft werden können. Der NZZ Videoshop ist ein gutes Beispiel für eine Lösung, die ohne DRM funktioniert.
Es ist doch ein Witz, dass in einer Zeit in welcher soviele Videominuten konsumiert werden, wie noch nie, ausgerechnet die Filme, die mit dem Anspruch gefördert werden, einen wichtigen Beitrag zur Schweizer Kultur zu leisen, nicht gesehen werden können.
Damit wir uns nicht falsch verstehen. Es braucht weder neue Fördermittel, noch müssen die bestehenden umgelagert werden, um diesen traurigen Umstand zu ändern. Es braucht nur den Willen der Beteiligten, ihre Sonntagsreden über die Wichtigkeit des Schweizer Filmschaffens in Taten zu verwandeln.
(Bild: © Vladislav Kochelaevs – Fotolia.com)
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