Fotos aus dem Stadtarchiv Zürich – Ein Fall von Copyfraud?

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Das Stadtarchiv Zürich publiziert einige ihrer Fotos in sogenannten Bildergalerien auf ihrer Website. So wurde kürzlich eine Auswahl von ca. 700 Bildern aus der Sammlung der Tatortfotografien des Erkennungsdienstes der Stadtpolizei Zürich online gestellt. Was grundsätzlich ein begrüssenswerter und erfreulicher Schritt ist.

Wer nun aber hofft, diese Bilder im Internet auch nutzen zu können wird ziemlich enttäuscht werden. Für jede Nutzung muss ein Formular ausgefüllt werden und sie ist kostenpflichtig. Dies auch bei Bildern, bei denen überhaupt nicht klar ist, ob überhaupt noch ein Urheberrecht besteht. So ist es sehr gut denkbar, dass einige der Fotografen der Bilder aus der Serie der 1920er Jahre schon länger als 70 Jahre tot sind. Nur, wir wissen es nicht, weil keine Angaben zu den Fotografen gemacht werden. Kommt dazu, dass einige der Bilder wahrscheinlich nicht durch das Urheberrecht geschützt sind, weil die nötige Schöpfungshöhe nicht gegeben ist. Trotzdem steht bei jedem Bild der Vermerk: “(C) Stadtarchiv Zürich.”

Wir haben es hier mit einem schönen Fall von Copyfraud zu tun. Damit ist gemeint, dass bei Werken, die eigentlich nicht urheberrechtlich geschützt und somit niemandem gehören, d.h. von jedem und jeder genutzt werden können, ein Urheberrecht behauptet wird.

Stossend ist auch, dass diese Bilder durch öffentliche Mittel finanziert wurden und es darum keinen Grund gibt, noch einmal Geld für die Nutzung zu verlangen. Kommt dazu, dass es wahrscheinlich ist, dass der Aufwand für die Abrechnung der Nutzungen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stehen, denn solche Bilder werden kaum en masse genutzt und damit bezahlt. Weiterhin problematisch ist auch die Idee, dass man Bilder für die Publikation im Internet nur für eine bestimmte Zeitdauer lizenzieren kann. Ich müsste also, wenn ich ein solches Bild für einen Blogpost oder einen Social-Media Post lizenziere, dieses nach einer bestimmten Zeit wieder vom Netz nehmen, was völlig absurd ist und überhaupt nicht dem Gedanken des World Wide Webs entspricht.

Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel die Schweizerische Nationalbibliothek NB, die Bilder via Wikimedia Commons in voller Auflösung und ohne Einschränkungen bereitstellt.

Ich habe einerseits Verständnis dafür, dass einzelne Archive in Zeiten des allgemeinen Spardrucks versuchen neue Einnahmequellen zu erschliessen. Aber es gehört nun einmal zu den Aufgaben der Gedächtnis-Institutionen dafür zu sorgen, dass ihre Sammlungen zugänglich sind. Und im Internet-Zeitalter heisst dies, die Dokumente zu digitalisieren und, dort wo kein Urheberrecht mehr besteht, sie ohne Einschränkungen und in bestmöglicher Qualität ins Netz zu stellen.

Ich will niemanden, auch nicht den Verantwortlichen des Stadtarchivs Zürich, böse Absichten unterstellen. Oft ist es eine Mischung aus mangelndem Bewusstsein über die Wichtigkeit der Public Domain, Unklarheiten im Zusammenhang mit der urheberrechtlichen Situation und dem Druck aus der Politik auf die Verwaltung, dass diese aus jeder Dienstleistung eine Einnahmequelle zu machen hat, die zu solchen Angeboten führen.

Wenn die Schätze der Archive nicht vergammeln sollen, müssen sie aber ins Netz und zwar möglichst zur freien Verfügung für alle. Nur so, werden sie auch genutzt und verbreitet.

Kommentare

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  1. Schätze wollen halt viele für sich behalten … Es dauert, bis der Gedanke “meins!” aus den Köpfen verschwindet.

  2. Man darf sich aber auch fragen, warum denn die Aufnahmen kostenlos für kommerzielle Zwecke zur Verfügung gestellt werden sollen.

    1. Ich finde, dass alles was durch öffentliche Mittel bereits finanziert wurde, allen und zu jedem Zweck zu verfügung stehen sollte. Es ist kein Problem, wenn diese Ergebnisse auch kommerziell verwertet werden, solange niemand daran behindert wird, diese auch zu nutzen. Wenn wir als Gesellschaft uns entscheiden, dass wir durch gemeinsame Finanzierung (Steuern) etwas erschaffen, so sollten wir uns immer auch dafür entscheiden, dieses Erschaffene wiederum der Gemeinschaft zurück zu geben. In vielen Bereichen wir das ja auch schon seit Jahrhunderte so praktiziert. So ist zum Beispiel der grösste Teil der Grundlagenforschung öffentlich finanziert und doch stehen die Ergebnisse allen zur Verfügung, oder eine Bibliothek kann von allen benützt werden usw.