Die Sperrung von Christoph Mörgelis Facebook Account ist wahrscheinlich keine gute Nachricht

Update – 2.9.2015, 16:08: Soeben sehe bei der Tageswoche einen Beitrag von Thom Nagy der ähnliche Fragen aufwirft. Wir sind offenbar gleichzeit am Schreiben gewesen. Am Ende seines Artikels gibt es noch weitere Links dazu und das Essay zum Thema Hass in der Zeit, auf welches er verweist kann ich auch empfehlen.

Update – 2.9.2015, 11:12: Der Facebook-Account von Christoph Mörgeli ist wieder online. Danke Martin für Deine Meldung im Kommentar.

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Wir wissen zwar noch nicht warum wirklich, aber offenbar gehen alle davon aus, dass Christoph Mörgelis Account wegen seinem unsäglichen “Die Fachkräfte kommen” Post gesperrt wurde. Im Gegensatz zu den meisten Zeitungswebsites, die sich über diesen Post aufregen und ihn trotzdem bei jeder Gelegenheit publizieren, verzichte ich hier darauf, dieses aus meiner Sicht absolut unlustige und dumme Bild auch noch weiter zu verbreiten. Die Story findest Du unter anderem hier in der Zürichseezeitung oder auch bei Watson.

Einer der Nutzer der Mörgelis Post beanstandet hat äussert sich in der Zürichseezeitung so:

«Christoph Mörgelis selbstgefällige, menschenverachtende Äusserungen waren mir schon immer ein Dorn im Auge.»

Sollte es wirklich so sein, dass Mörgelis Account von Facebook gesperrt wurde, weil sich genügend User bei Facebook beschwert haben, ist es völlig Fehl am Platz, sich darüber zu freuen. Man kann mit den politischen Inhalten der SVP und ihrer politischen Mandatsträger aus vielen Gründen nicht einverstanden sein. Es ist auch völlig legitim, Aussagen von Politikern mit aller Vehemenz inhaltlich zu kritisieren. Aber einfach jemandem das Maul verbieten zu wollen, weil einem bestimmte Äusserungen ein Dorn im Auge sind, entspricht genauso einer selbstherrlichen Haltung, wie diejenige die hier kritisiert wird.

Wohin soll das führen, wenn wir zulassen, dass der eine dem anderen verbieten will, sich zu äussern, weil er die Welt anders sieht? Erkennt Ihr denn nicht, dass wir uns in einer völlig fehlgeleiteten Abwärtsspirale in Richtung Totalitarismus und Gewalt befinden? Ich spreche hier nicht davon, dass unter dem Deckmantel der Meinungsäusserungsfreiheit alles erlaubt sein soll. Deswegen gibt es auch bei uns Einschränkungsmöglichkeiten und das ist gut so. Ich bin auch der Meinung, dass wir alles unternehmen müssen um die Hassreden aller Art im Digitalen Raum einzudämmen. Ich bin gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus, gehen Homophobie, ganz einfach gegen alle Haltungen die den Menschen nicht grundsätzlich als gleichwertiges, würdiges Gegenüber betrachten. Doch es kann einfach nicht sein, dass anstelle des Rechtsstaates, ein aufgebrachter Mob und private Firmen entscheiden, was gesagt werden darf und was nicht.

Eine solche Lösung führt dazu, dass es völlig von der zufällig entstandenen wirtschaftlichen Machtkonstellation und des Zustandes des Zeitgeistes abhängt, ob man zum Schweigen verurteilt wird oder nicht. Heute ist die Mehrheit noch auf der Seite der Flüchtlinge, doch was machen wir, wenn sich das mal ändert? Alle, die jetzt lachen und sich darüber freuen, dass Christoph Mörgelis Facebook Account gesperrt wurde, frage ich: Hättet Ihr auch gelacht, wenn es vor 30 Jahren (wenn es da Facebook schon gegeben hätte), derjenige von Andreas Gross und anderen GSOA-Aktivisten gewesen wäre, als sie für die Abschaffung der Armee kämpften und den damals rechts-bürgerlichen Mainstream gegen sich aufgebracht haben. Machtverhältnisse ändern sich, deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die grundlegenden Menschenrechte nicht in Frage gestellt werden.

Ich weiss, ihr sagt, Mörgeli sei ein Aufwiegler, ein Rassist und dergleichen. Auf diese Diskussion will ich mich hier aber gar nicht einlassen, denn viele Rechte behaupten auch dass Anarchisten grundsätzlich Terroristen sind und mit ihren Ansichten die Stabilität des Landes gefährden. Wenn wir mit Äusserungen eines Menschen nicht einverstanden sind, dann müssen wir diese Äusserung bekämpfen und nicht den Menschen. Das Fachkräfte-Bild kann man auf vielen Ebenen kritisieren und auch ich finde es total daneben. Doch dass ein solches Bild schon ausreicht, dass einem der Account gesperrt wird, ist definitiv keine gute Entwicklung. Wir haben genug gute Argumente um fremdenfeindlichen Haltungen und Aussagen zu begegnen. Wenn wir eine Welt ohne “Hatespeech” wollen, aber trotzdem eine Welt in der auch aus den Ecken und Rändern der Gesellschaft Ideen und Meinungen kommen dürfen, dann müssen wir kontinuierlichen erklären und argumentieren. Das ist mühsam und aufwendig, aber nachhaltiger als die politischen Gegner Kraft der populistischen Macht ins Abseits zu drängen.

Sicher, Facebook ist ein privates Unternehmen und nicht dazu verpflichtet, alles auf ihrer Plattform zuzulassen. Und jeder von uns, egal wo er politisch steht, tut gut daran, sich nicht alleine auf solche Plattformen zu verlassen, denn diese entscheiden am Ende, was publiziert wird und was nicht. Ich kritisiere nicht in erster Linie Facebook für ihren Entscheid; der Applaus den das Netzwerk dafür erntet macht mir Sorgen.

Kommentare

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  1. Ich glaube, du verwechselst da zwei Dinge: Nämlich die Motivation der Täfelitante und die von Facebook. Ich stimme dir zu, Mörgeli generell den Mund zu verbieten, ist völlig daneben. So sehr ich mich freuen würde, wenn dem Typen mal jemand das Maul stopft. Aber: Mörgeli hat diesen Post abgesetzt und der ist nicht okay – also hat ihn Facebook gesperrt. Was die Motivation der Täfelitante war, ist dabei sekundär. Facebook hätte Mörgeli nicht gesperrt, wenn es keinen triftigen Grund gegeben hätte. Und dann dürfen wir nicht vergessen, dass die Täfelitante von den Medien angefragt wurde und einfach mal was gesagt hat und das vielleicht unglücklich formuliert hat. Jedenfalls erfolgte die Sperrung nicht, weil Mörgeli der Täfelitante ein Dorn im Auge war.

    1. Leider kennen wir den Grund ja noch nicht, wir mutmassen alle, dass es um diesen besagten Post ging und ich versuche zu argumentieren, warum das nicht zu einer Schliessung eines Accounts führen sollte. Dass man den Post löscht, damit könnte ich noch leben. Aber gleich den Account sperren, finde ich daneben. (Immer vorausgesetzt, es ging wirklich um dieses eine Bild).

  2. Zusätzlich zu dem, was Du hier schreibst (was meines Erachtens richtig ist), finde ich es auch noch bedenklich, dass das ganze

    1. Mörgeli mehr ins Rampenlicht stellt
    2. seine erniedrigenden Ansichten über Flüchtlinge weiter publiziert, da nun das Bild in allen Medien ist

    und somit vermutlich der SVP hilft.

    Wenn Leute, welche sowieso nie SVP gewählt haben, hier Facebook zujubeln, hilft das der Sache gar nichts.

    Wenn Leute, die das Bild vielleicht gar nie gesehen hätten, und möglicherweise den Parlamentswahlen ferngeblieben wären, nun denken “momoll, der Mörgeli, der macht was gegen das Asylantenpack!”, und dann deswegen die SVP-Liste einwerfen, dann ist das ein Verlust.

  3. Auch ein Zusatz: bei Mörgeli und seinen ParteikollegInnen gehört das auffällige Verhalten mit Sicherheit auch zur Medienpräsenz-Strategie. Man will im Gespräch bleiben. Eine Account-Sperrung/Löschung ist Gratiswerbung.

    Ich bin dafür, dass die Betreiber der jeweiligen Seiten Hass und Hetz-Posts konsequent löschen und Gruppierungen, die zu Gewalt jeglicher Art gegen andere aufrufen grundsätzlich nicht zulassen.

    Gesellschaftlich muss aber viel mehr passieren. Das unsäglich menschenverachtende Gedankengut ist ja nicht einfach weg, nur weil es nicht mehr sichtbar ist.

  4. Es gibt ja den berühmten Ausspruch, der Friedrich dem Grossen zugeschrieben wird: Niedriger hängen! Nur wenn die unsägllchen Posts von Mörgeli und Gesinnungsgenossen publik sind, bringt man die Leute zum Nachdenken über diese Leute.