Der neue Vorschlag zur Urheberrechtsrevision verlangt einen hohen Preis von der Gesellschaft.

Endlich ist die neue Botschaft des Bundesrates zur Revision des Urheberrechtsverfügbar. Wir erinnern uns: Nachdem über 1200 Vernehmlassungsantworten eingegangen sind, hat das EJPD, anstatt den Vernehmlassungsbericht zu veröffentlichen, die bereits einmal gescheiterte AGUR12 Arbeitsgruppe wieder zusammengerufen. Diese hat erneut einen ‘sogenannten’ Kompromiss erarbeitet und darauf aufbauend wurde nun diese äusserst unausgegorene und gefährlich Vorlage gezimmert.

Lichbildschutz

Es soll ein “eingeschränkter Sonderschutz” (O-Ton Bundesrat) für Fotografen eingeführt werden. Dieser Lichtbildschutz, wie wir ihn aus Deutschland kennen, wird auch in der Schweiz zu einer Abmahnwirtschaft führen und dafür sorgen, dass Fotographien und Werke der bildenden Kunst, die nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind, oder es noch nie waren (Public Domain), reprivatisiert und dauernd von neuem geschützt werden. Kommt dazu, dass damit faktisch das Teilen von nicht selbst geknipsten Fotos in den Social Media mehr oder weniger verunmöglicht wird.

Es ist absolut unverständlich, dass das IGE diesen Artikel in diesen ‘sogenannten’ Kompromiss aufgenommen hat, da er ausser von den Fotografen, von ziemlich allen Seiten immer schon kritisiert und in Frage gestellt wurde, und auch die Vernehmlassungsantworten diesen Schritt kaum rechtfertigen.

Dieser Lichtbildschutz muss aus der Vorlage gestrichen werden.

Verwaiste Werke und erweiterte Kollektivlizenz

Hier wurde eine eigentlich gute Idee schlecht umgesetzt. So können nur Werke, die in Beständen von öffentlichen Institutionen sind, als verwaiste Werke veröffentlicht werden. Dabei liegen wohl die meisten verwaisten Werke in privaten Archiven und Antiquariaten. Weiterhin ist vorgesehen, dass die Verwertungsgesellschaften frei und ziemlich willkürlich die Tarife für die erweiterte Kollektivlizenzen definieren können. Auch eine Transparenzpflicht ist nicht vorgesehen. Dabei wäre es äusserst wichtig, dass die Konditionen solcher Verträge öffentlich gemacht werden und sichergestellt wird, dass nicht nur kapitalkräftige Grosskonzerne sondern auch kleinere Institutionen in der Lage sind, ihre Bestände zu digitalisieren.

Auch hier sollte das Parlament nachbessern und diese Regelung so formulieren, dass es für alle möglich ist, verwaiste Werke zu veröffentlichen.

Verlängerung der Schutzdauer bei Tonaufnahmen

Ohne Not wird einmal mehr eine Schutzfrist verlängert. Es ist wenig nachvollziehbar, dass in einer Zeit, in welcher weitgehend Konsens darüber herrscht, dass gerade die langen Schutzfristen im Urheberrecht ein Problem darstellen, eine solche Verlängerung von 50 auf 70 Jahre gewährt wird. Als Argument wird die Angleichung an die Situation im Ausland genannt. Nun, wenn das der Grund ist, dann können wir uns bereits auf die nächste Verlängerung von 70 auf 95 Jahre vorbereiten, denn die US-Unterhaltungsindustrie arbeitet bereits daran.

Wir sollten grundsätzlich keine längeren Schutzdauern in unserem Urheberrecht integrieren, als die, zu denen wir durch internationale Abkommen verpflichtet sind. Darum können wir hier getrost bei den 50 Jahren bleiben.

Wissenschaftsschranke und Verzeichnisprivileg

Es gibt auch Verbesserungen, das gebe ich gerne zu. Die Vergütungsfreie Nutzung der Werke zu wissenschaftlichen Zwecken (die sogenannte Wissenschaftsschranke) wäre ein Vorteil und sie würde für das eine oder andere Institut und Forschungsvorhaben wahrscheinlich etwas mehr Rechtssicherheit schaffen. Gleiches gilt für das Verzeichnisprivileg, der Möglichkeit für Gedächtnisinstitutionen, bei den Verzeichnissen ihrer Bestände kleinere Auszüge online stellen zu dürfen. Es ist allerdings umstritten, ob es ein solches Verzeichnisprivileg wirklich braucht, denn sehr wahrscheinlich kann das alles, was hier neu “gewährt” wird, auch unter bestehendem Urheberrecht gemacht werden. Gleiches gilt für die Wissenschaftsschranke.

Wir müssen und fragen, ob der Preis, den die Gesellschaft für das Zugeständnis dieser urheberrechtlichen Brosamen bezahlt, nicht viel zu hoch ist. So wird immerhin eine komplette Werkgattung, und dazu noch eine, die für die Kommunikation im Internet-Zeitalter essentiell ist, neu einer urheberrechtlichen Sonderverwertung unterstellt. Es wird gefördert, dass ein grosser Teil der Public Domain privatisiert wird und es werden einmal mehr Schutzfristen verlängert, obwohl das Gegenteil richtig und notwendig wäre.

Wollen wir das wirklich?

(Dieser Beitrag erschien auf auf medium.com)

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